roro HERRENMODE: Sitzt auf den ersten Blick
WENN EINER EIN GESCHÄFT AUFMACHT
Robert Zurbrügg, roro-Gründungsmitglied, erinnert sich
»Als Mitarbeiter der Firma Dick AG in Bern («Dick macht schlank») durfte ich viele Kunden aus dem Oberland, namentlich Interlaken und Umgebung, bedienen. Meine dortige Tätigkeit dauerte fast zehn Jahre. Als Pendler brachte ich am Abend des öfteren die Kleidungsstücke zur Schlussprobe zum Kunden. Dieser Service wurde sehr geschätzt und war eine grosse Hilfe beim Start in die Selbstständigkeit und dem Aufbau eines eigenen Geschäftes. Mit Partner Rolf Moser, einem ehemaligen Mitarbeiter bei Dick, plante ich ein Geschäft für Herrenmode in der Region Interlaken.
Den Firmenamen roro leiteten wir von unseren Vornamen ab (RO-bert und RO-lf). Im Haus an der Spielmatte 41 in Unterseen war ein Schild an der Ladentüre der ehemaligen Schneiderei Baumann angebracht, welches den Laden zur Vermietung anpries. Da der Zins sehr bescheiden war, wurde der Laden vorerst gemietet. Nebenan betrieb Herr Schlatter ein Geschäft für Pflanzen und Blumen. Der Gärtner mit dem langen weissen Bart wollte aus Altersgründen sein Geschäft ebenfalls aufgeben. So mieteten wir auch diesen Laden und räumten vorerst hunderte von zerbrochenen Blumentöpfen samt Erde aus und entdeckten eine wunderschöne, alte silbrige ANKER-Kasse. Beim Öffnen der leeren Geldschublade schlug eine Glocke an – und dieses herrliche Bimmeln ertönt auch heute noch, 40 Jahre später, bei roro.
Der in kaufmännischen Belangen wie auch im praktischen Arbeiten äusserst versierte Rolf Moser entwarf die Pläne für den Umbau selbst und war der Bauchef, währenddem ich als Handlanger fungierte. Monatelang arbeiteten wir neben unserer normalen Arbeit zusätzlich an Abenden und Wochenenden und bauten und gestalteten unseren ersten Laden selber. Ein Budget wurde erarbeitet und die Bank konsultiert. Ein Hotelier und ein Bauunternehmer halfen uns mit einem Mikro-Kredit – und dann war es soweit: Am 4. Juli 1970 morgens um neun Uhr fand die Eröffnung statt.
Ich erinnere mich noch bestens an meinen allerersten Kunden im neuen Geschäft. Trotz Datenschutz nenne ich hier gerne seinen Namen: Es war Peter Urfer, genannt PU senior. Der Geschäftsgang entwickelte sich erfreulich und bald mussten die Räumlichkeiten erweitert werden. Der bisher als Wohnung vermietete erste Stock kam dazu, es gab neue hilfreiche Mitarbeiter, sogar einen echten italienischen Schneider mit dem klangvollen Namen Angelo Mastropierro, der übrigens auch heute nach seiner Pensionierung 2006 weiter zwei Tage wöchentlich für roro arbeitet. An strengen, verkaufsstarken Samstagen beschäftigten wir bis zu fünf Aushilfen, oftmals Lehrlinge aus anderen Berufsgruppen wie Banker, Handwerker und Studenten.
Das Geschäft blühte, und eine weitere Vergrösserung drängte sich auf. Wir waren in der glücklichen Lage, das ehemalige Schuhgeschäft Balsiger fast neben dem Hauptgeschäft mieten zu können. Dort eröffneten wir den Jeans Corner und versorgten die Bödeli- Jugend mit Blue Jeans. Drei Jahre später übernahmen wir zusätzlich die
Chemiserie Kurt (vormals Bolli) an der Bahnhofstrasse 25 in Interlaken.
Zahlreiche Modeverkäuferinnen und -Verkäufer sowie Detailhandelsangestellte wurden - meist erfolgreich - ausgebildet. Einer davon war Roland Liechti, heute zusammen mit Walter Schürch einer meiner Nachfolger und Mitinhaber der Firma.
Viele schöne Erlebnisse waren mir in all den Jahren vergönnt mit der treuen Kundschaft aus dem In- und Ausland. Mit Stolz kann man erwähnen, dass vom Bundesrat über Rockstar, vom Lottomillionär zum Generalstabchef, vom Schüler zum Akademiker alle bedient wurden. Daneben widerstanden wir der Versuchung und blieben strikt bei unseren Leisten. Unser Sortiment umfasste nie etwas anderes als Bekleidung: keine Souvenirs, keine Uhren, keine Sportartikel – wir wollten keinen Gemischtwarenladen. Vielleicht war auch diese Geschäftspolitik ein Schlüssel zum Erfolg.
Neben vielen anderen blieb mir eine Episode besonders in Erinnerung. Ein chicer Wagen hielt vor unserem Geschäft an der Spielmatte, ein Mann stieg aus und betrat das Geschäft, während das Auto wegfuhr. Der Kunde suchte sich ein passendes, schönes Veston aus, betrachtete sich im Spiegel und schien mit seiner Erscheinung zufrieden. Jedoch wollte er das gute Stück noch rasch seiner Frau vorführen, die hinter der «Krone» parkiert habe - »Bin gleich wieder da…« – und ward nie mehr gesehen.
So gäbe es noch manche Anekdote zu berichten und ich denke oft an diese schöne und intensive Zeit zurück, wenn ich heute mein Rentnerleben geniesse.
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